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In „Maximen und Reflexionen“ erklärt Goethe, worin seiner Ansicht nach der Unterschied zwischen Allegorie und Symbol besteht, wichtig ist ihm dabei, den Vorrang des Symboles deutlich zu machen.
Für Goethe ist die Allegorie die gesuchte Veranschaulichung eines Begriffes. Die Verbindung zwischen dem Bild – sei dies nun ein dichterisches Bild oder ein gemaltes – und dem Begriff ist mehr oder weniger willkürlich, gedanklich-konstruktiver Art, wie uns ein Blick in Meyers Lexikon Online belehrt, dessen Darstellung der Allegorie den von Goethe skizzierten Zügen folgt. In den Künsten ist diese Charakterisierung bis heute wirksam. Mathematik und Zeichentheorie arbeiten mit einem abweichenden Symbolbegriff.
(749) „Die Symbolik verwandelt die Erscheinung in Idee, die Idee in ein Bild, und so, dass die Idee im Bild immer unendlich wirksam und unerreichbar bleibt und, selbst in allen Sprachen ausgesprochen, doch unaussprechlich bliebe.“
(750) „Die Allegorie verwandelt die Erscheinung in einen Begriff, den Begriff in ein Bild, doch so, dass der Begriff im Bilde immer noch begrenzt und vollständig zu halten und zu haben und an demselben auszusprechen sei.“
(751) „[…] Es ist ein großer Unterschied, ob der Dichter zum Allgemeinen das Besondere sucht oder im Besonderen das Allgemeine schaut. Aus jener Art entsteht die Allegorie, wo das Besondere nur als Beispiel, als Exempel des Allgemeinen gilt; die Letztere aber ist eigentlich die Natur der Poesie: sie spricht ein Besonderes aus, ohne ans Allgemeine zu denken oder darauf hinzuweisen. Wer nun dieses Besondere fasst erhält zugleich das Allgemeine mit, ohne es gewahr zu werden, oder erst spät.“
(752) Das ist die wahre Symbolik, wo das Besondere das Allgemeinere repräsentiert, nicht als Traum und Schatten, sondern als lebendig-augenblickliche Offenbarung des Unerforschlichen.“
GOETHE, J. W. v.; Maximen und Reflexionen, Werke (Hamburger Ausgabe), Bd. 12, München (C.H. Beck) 1981, S. 470 f
(Hervorhebungen von mir)
Interessant ist, wie Goethe Symbol und Allegorie kontrastiert. Goethe beschreibt die Allegorie als etwas Gesuchtes, Abgeleitetes, Konstruiertes. Der Dichter sucht zum Allgemeinen das Besondere, während im Symbol dagegen er das Allgemeine schaut. Das Allgemeine hat im Symbol eine unmittelbare Präsenz. Sein Gehalt aber lässt sich nicht einfach aussagen. In diesem Sinne ist das Symbol nicht hintergehbar, es ist, was es ist. Das Allgemeine der Allegorie ist dagegen nur vermittelt präsent, um sie zu verstehen, ist Bildung nötig, man muss sie sich herleiten können. Bild und Begriff sind zu trennen, der Gehalt der Allegorie lässt sich aussagen.
Die Betonung von Schau und Offenbarung in Bezug auf das Symbol rückt dieses in die Traditionslinie des Hermetismus. Für Jan Assmann ist das Motiv der Offenbarung das wichtigste Element der hermetischen Traditionen.
Zum Konzil von Ferrara und Florenz hatte der Kaiser von Byzanz, Johannes VIII. Palaiologos , Italien besucht und 1439 in Florenz die Union von griechisch-orthodoxer und römisch-katholischer Kirche feierlich vereinbart, nicht zuletzt wohl auch in der Hoffnung auf tatkräftige Unterstützung im Kampf gegen die Türken. Der Kaiser „hatte ein weißes Gewand auf dem Leibe und darüber einen Mantel aus rotem Tuch und ein weißes nach vorne zugespitztes Hütchen, auf dem er einen taubeneigroßen Rubin mit vielen anderen Edelsteinen trug“. Die Wiedervereinigung von Ost- und Westkirche unter dem Primat des Papstes, stieß seitens der Ostkirche allerdings auf erheblichen Widerstand und wurde nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Türken unter Mehmed II, auch offiziell wieder gelöst.
Gelehrte wie Bessarion und Plethon aus der Entourage des Kaisers hatten mit ihren Kenntnissen der Antike großen Einruck in Italien gemacht. Cosimo de Medici beauftragte daraufhin Marsilio Ficino die Schriften Platons ins Lateinische zu übertragen. Ficinos Haus in Carregi bei Florenz wurde zum Treffpunkt dessen, was man als „Platonische Akademie“ bezeichnete. Gerade in der Endphase und nach dem Fall des Byzantinischen Kaiserreiches gelangte antikes Erbe erneut verstärkt nach Europa. So erhielt Cosimo de Medici um 1460 von einem Agenten ein griechisches Mauskript. Marsilio Ficino machte sich daran dieses Manuskript, die Texte des Corpus Hermeticum, aus dem Griechischen ins Lateinische zu übertragen und begründete damit die Renaissance des Hermetismus.
Die nördlich der Alpen, im deutschen Reichsgebiet dominante hermetische Überlieferung gründete auf einem anderen Text, auf der sogenannten „Tabula Smaragdina“ („Die smaragdene Tafel“) und prägte den Paracelsismus und die Alchemie als „Ars Hermetica“, als „hermetische Kunst“.
Beide Traditionen teilen die Vorstellung vom Symbol, als einer nicht-diskursiven Präsenz spiritueller Gehalte. Das weist voraus auf Goethe, dessen Symbolbegriff im Nimbus der von Jan Assmann identifizierten hermetischen Trias von Geheimnis, Einweihung und Offenbarung glänzt.
Quellen Und Materialien:
EBELING, FLORIAN; Das Geheimnis des Hermes Trismegistos, Die Geschichte des Hermetismus, (C. H. Beck) München 2005, mit einem Vorwort von Jan Assmann,
ECO, UMBERTO; Welt als Text – Text als Welt, in: Streit der Interpretationen, (Europäische Verlagsanstalt) Hamburg 2005
ders.; Kunst und Schönheit im Mittelalter, (Deutscher Taschenbuch Verlag) München 1993
GINZBURG, CARLO; Erkundungen über Piero, (Fischer Verlag) Frankfurt am Main 1991
HUIZINGA, JOHANN; Der Herbst des Mittelalters, (Alfred Kröner Verlag) Stuttgart 1975
SCHÖNE, ALBRECHT; Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, (C. H. Beck) München 1993