Das Wochenende habe ich wieder in Marburg verbracht, an der Uni, zur vorletzten Veranstaltung meines Blockseminares „Bildkomposition“; dabei ging es auch um Italien, Venedig speziell, und das Dreigestirn Tizian, Tintoretto, Veronese – Tintoretto vor allem und seinen Beitrag zur Dramatisierung des Bildraumes. Heute Morgen dann habe ich die E-Mails vom Wochenende abgerufen, darunter war auch eine betreffs „BIENNALE INTERNAZIONALE DELL’ARTE CONTEMPORANEA“. Für unsereins liegt da der Kurzschluss nahe: Italienisch-Biennale-Venedig – nicht weit, aber dennoch gefehlt, die Mail, so stellte sich heraus, war die Einladung zur Teilnahme an der 7. BIENNALE INTERNAZIONALE DELL’ARTE CONTEMPORANEA in dem für die Kunst der Renaissance einst nicht minder bedeutsamen Florenz.
„Wie kommen die denn auf mich?“, denke ich sogleich, skeptisch, weil die Einladung so gänzlich überraschend und ohne vorherigen Kontakt kommt und zudem nicht per Brief oder telefonisch erfolgt, sondern via Mail, mit der Anrede „Lieber Künstler“. Schon im zweiten Satz erfahre ich aber, dass ich die Einladung dem Internet verdanke, der lautet nämlich:
„Nach der Prüfung Ihrer künstlerischen Produktion durch Internet hat sich das Innenkomitee der Ausstellung ausdrücklich für Ihre Teilnahme ausgesprochen.“
Im nächsten Absatz wird dann mit großen Namen renommiert: Marina Abramovic, wird den „Premio Lorenzo Magnifico“ erhalten, den zugleich auch die Künstler Shu Yong und Igor Mitoraj bekommen werden. David Hockney, Christo und Jeanne-Claude, Richard Anuszkiewicz, Gilbert & George haben ihn schon. Mal ehrlich, wer wollte nicht auch einen „Premio Lorenzo Magnifico“ haben?! Ich zum Beispiel könnte mir dann den Künstlernamen „Tillmagnifico“ zulegen.
Und während der letzten Biennale gab es zusätzlich noch eine Konferenz zur digitalen Kunst mit
„… Gregorio Luke, Direktor des Molaa von Long Beach, aber auch andere Ereignisse betreffend die digitale Kunst, mit der Teilnahme vom Museum Ars Electronica Center von Linz, dem „ältesten“ Museum des digitalen Kunst auf der Welt, und vom Ars Electronica Futurelab.“
Nach all dem Namedropping, dem vorgeführten Glanz wird man, solcherart geehrt, im dritten Absatz dann zum Lieferanteneingang verwiesen, dort ist zu lesen:
„Die Ausstellung wird nicht von öffentlichen oder privaten Geldbeiträgen unterstützt; sie wird von den ausgewählten Künstlern finanziert, die ganz unabhängig Sponsoren in ihrem Land suchen können. Arte Studio trägt dafür Sorge, an die von den Künstlern angegebenen Einrichtungen oder Sponsoren eine formale Anfrage zu senden.“
Ist das „Outsourcing des Fundraising“? Zumindest begegnet einem dieses Modell der Projektfinanzierung im Kulturbereich zwischenzeitlich häufiger. Immer wieder erhält man Einladungen zu Ausstellungen oder Projekten im In- und Ausland, bei denen Kosten ganz clever einfach an die TeilnehmerInnen durchgereicht werden. Diese Art Finanzierung ist letztlich von den Kunstmessen abgeleitet, AusstellerInnen sind demnach UnternehmerInnen, die im Rahmen der Vermarktung Ihres Produktes (Kunst) in Werbemaßnahmen (Ausstellungen) investieren müssen. Klingt sauber, logisch, oder?! Da bekommt der Begriff der neuen, wesentlich auch vom Internet ermöglichten „Participatory Culture“ einen ganz eigenen Klang, den von klingender Münze für die Oberschlauen.
Beim Versuch dann auf der Internetseite der BIENNALE INTERNAZIONALE DELL’ARTE CONTEMPORANEA herauszufinden wie sich denn nun dieses „Innenkomitee“ zusammensetzt, dem man die Einladung verdankt, stößt man auf folgende Liste:
The International Scientific Committee
The role of the Scientific Committee is to select artists participate in the exhibition. The members of the Committee are chosen according to their experience in contemporary art field on an international level.
C.S.I. 2009
Manina Fernandez Navarro – Argentina
Sushma Bahl – India
Teresa Barile – Argentina
Argelia Castillo – Mexico
Maria Elena Beneito – Argentina
Vlasta Cihakova – Czech Repubblic
Demetrios Economou – Greece
Leonel Estrada – Colombia
Patricia Flores – Mexico
Blanca Garcia Vega – Spain
Luciano Lepri – Italy
Helmut Orpel – Germany
Livia Bucci – Brasil
Paul Lorenz – USA
Ruy Sampaio – Brasil
Emilse Mandolesi d Bara – Argentina
Luisa Noriega Montiel – Spain
David Rubin – USA
Jana Wisniewski – Austria
Hong Bin Zhang – China
Diana Calvillo de Chapa – Mexico
Der für Deutschland zuständige Kurator ist Helmut Orpel aus Mannheim, ein mir bis dato unbekannter Autor, der auch eine Kunstagentur betreibt, soviel erfährt man zumindest auf seiner Homepage.
Mag die dröge Cleverness des Geschäftsmodelles der Biennale von Florenz nicht gerade Begeisterung wecken, so lädt die Mail jedoch dazu ein, einige Fäden im World Wide Web zu verfolgen, die ohne direktes eigenes Zutun, zu dem Knoten darin, der man selbst ist, geknüpft worden sind; und spannender wahrscheinlich als eine Teilnahme an der BIENNALE INTERNAZIONALE DELL’ARTE CONTEMPORANEA ist das Erlebnis dieser Verknüpfung im Web, wo alltäglich die aberwitzigsten Verbindungen und Konjekturen möglich sind.
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