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Power (#1)

Das Buch The 48 Laws of Power (dt.: Power. Die 48 Gesetze der Macht) von Robert Greene wurde in den Vereinigten Staaten mehr als eine Million Mal verkauft, in den Gefängnisbibliotheken des Landes ist es das am häufigsten ausgeliehene Buch. Strafgefangene sind in den Vereinigten Staaten, laut New York Times, eine zahlenmäßig durchaus bedeutende Zielgruppe. In den USA sitzen 2,3 Millionen Menschen hinter Gittern, das ist ein Fünftel aller Gefängnisinsassen weltweit – wenn ich richtig gerechnet habe, heißt dies, dass gegenwärtig etwa vier Komma fünf Prozent der Weltbevölkerung rund zwanzig Prozent aller Sträflinge in der Welt stellen. In den USA hat sich die Zahl der Menschen, die in Gefängnissen einsitzen, in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt, das kostet die amerikanischen Steuerzahler fünfundsiebzig Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Auf Seite eins der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 26./27. Januar 2013 schreibt Thomas Steinfeld unter dem Titel Das Wollen wollen über die „wachsende Branche der Selbstoptimierung“. Das populäre Buch von Robert Greene wird gleich zu Anfang ausführlicher besprochen, als ein für den Stil der Branche besonders typischer Ratgeber.

Auch wenn die Selbstoptimierung mittels TrainerInnen, Coaches, Gurus und allerlei Weisheiten, die sich zwischen Buchdeckeln Schwarz auf Weiß nach Hause tragen lassen, in den USA scheint‘s noch populärer ist als hierzulande, so hat doch auch bei uns die Konkurrenz aller gegen alle einen beträchtlichen Markt geschaffen für solcherart Hilfe mit Rat und Tat. Meistens  geht es darum, einem mit leuchtendem Beispiel vorangehenden Menschen seine Methode abzukaufen um selbst auch ein irgendwie geartetes Optimum zu erreichen, den Plebs der Couch Potatoes und Pizzamampfer hinter sich zu lassen um sich finanziell und machtmäßig zu neuen Höhen aufzuschwingen. Wem das zu profan scheint, der kann sich auch mit Hilfe diverser Esoterika zur spirituellen Avantgarde gesellen. Vielfach geht jedoch geistliche Erhebung mit finanziellem Erfolg, sozialem Prestige und einem Zugewinn an gesellschaftlichem Einfluss, Macht eben, sowieso Hand in Hand. Wichtig ist vor allem, seinen Willen zu trainieren, er ist der Herzmuskel allen Erfolgs.

Laut Thomas Steinfeld geht es also  schlicht darum, den Willen zum Wollen des Willens zu wollen.

Das Prinzip der Selbstoptimierung geht so: Um richtig zu wollen muss man das Wollen wollen […]. Deswegen kommt es in der Selbstoptimierung auch nicht darauf an, was man will. Inhalte, […], sind von allenfalls untergeordneter Bedeutung. Stattdessen muss ein überlegener Wille wollen, dass sein Wille durchsetzungsfähiger sei.

In der Süddeutschen Zeitung vom 16. April widmet sich Thomas Steinfeld dem Thema erneut, dieses Mal unter dem Titel Die Kunst der Selbstoptimierung. Anlass ist die Kampagne Kultur macht stark des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. „Kulturelle Bildung“ wird da neben „schulische“ und „berufliche Bildung“  gereiht, ihr Beitrag zur Selbstoptimierung sind die „soft-skills“, sozusagen, der Selbstbehauptung.“Kultur, „Kulturelle Bildung“ unterstützt junge Menschen „in ihrer Persönlichkeitsentwicklung […], ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt […]. Sie werden dazu ermutigt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.“ Auch hier wie beim „Wollen des Willens“ sind Inhalte erst einmal überflüssig, Infragestellung oder gar Grübelei unangebracht, Hauptsache, es wird munter gewerkelt. Das ist ein gänzlich instrumenteller Bildungsbegriff, Bildung und Kultur sind nun Teil eines umfassenden „self-engineering“, „Fitness“ lautet das Stichwort.

 

BMBF - Kultur macht stark

Thomas Steinfeld wähnt kulturferne Umtriebe  hinter der Kampagne des Bundesministeriums, dabei hat diese Haltung bereits Eingang in neuere Ästhetiken gefunden,  so bezeichnet zum Beispiel der Philosoph Wolfgang Welsch in seinem von Biologie und Neurowissenschaften inspirierten Buch Blickwechsel – Neue Wege der Ästhetik auf  Seite 320 „Kunstausstellungen und Museen“ „als Trainings- und Fitnesszentren für das Gehirn“.

In einem Beitrag von Thomas L. Friedman für die New York Times formuliert Tony Wagner von der Harvard University das Ziel des  Bildungswesens dementsprechend so: “adding the value and teaching the skills that matter most in the marketplace.” Auch für Wagner dreht sich im Bildungswesen alles vornehmlich um die Vermittlung von „skills“, Fertigkeiten und nicht um „content“, Inhalte.  Diesem purifizierten Willen zum ökonomischen Erfolg, hat sich alles unterzuordnen. Wert hat nur, was dafür taugt, das gilt für den einzelnen sowohl wie für den sozialen Verband.

In dem vor knapp zweihundert Jahren erschienenen Roman Vater Goriot von Honoré de Balzac, fordert im fünften Kapitel der charismatische Gangster Vautrin am Ende einer desillusionierenden Beschreibung der Realitäten des Lebens den jungen, verunsicherten, eitlen, intelligenten und ehrgeizigen Eugène de Rastignac auf, sich zu prüfen, ob er die wesentliche Voraussetzung für den Erfolg habe – einen überlegenen Willen.

Sie aber, wenn Sie ein Mensch von Format sind, gehen Sie geradezu mit erhobenem Kopf Ihren Weg. […] Prüfen Sie sich selbst! Sehen Sie, ob Sie jeden Morgen mit stärkerem Willen erwachen, als Sie am Abend besaßen.

Früher und knapper noch formuliert Novalis die Forderung nach absoluter Selbstoptimierung:

Gott will Götter.

Novalis‘  Formulierung des göttlichen Willens bezüglich unseres menschlichen Strebens limitiert die Höhe menschlicher Selbsterhebung. Findet für Novalis die menschliche Selbstoptimierung Vorbild und Grenze im Göttlichen, so ist Kult der Selbstoptimierung nur noch die Banalisierung eines idealistischen Bildungsbegriffes unterm Diktat eines  ökonomistischen Kalküls – oder in der schnörkellosen Version von Vautrin:

Da haben Sie das Leben, wie es wirklich ist. Schön ist’s in dieser Küche nicht, da riecht’s nach allerlei, und man macht sich die Hände schmutzig, wenn man was Gutes brutzeln will. Man muss nur sehen, dass man nach außen immer sauber erscheint: Das ist die ganze Moral unserer Zeit.

In eben  diesem Sinne fordert Robert Greene seinen Adepten in dem Buch Power. Die 48 Gesetze der Macht:

„Mache um jeden Preis auf dich aufmerksam.“ (Gesetz Nr. 6)

„Lass andere für dich arbeiten, doch streiche immer die Anerkennung dafür ein.“ (Gesetz Nr. 7)

Bon, c’est la vie!

 

Quellen:

BALZAC, HONORÉ DE; Vater Goriot, http://gutenberg.spiegel.de/buch/6295/5, Abruf: 18.04. 2013

FRIEDMAN, THOMAS L.; Need a Job? Invent It, New York Times, 30.03. 2013, http://www.nytimes.com/2013/03/31/opinion/sunday/friedman-need-a-job-invent-it.html?_r=0

, Abruf: 18.04. 2013

NOVALIS, (Friedrich von Hadenberg); Werke, Briefe, Dokumente, 4 Bde., Bd. 2, Fragmente I, Heidelberg, Lambert Schneider, 1957, Fragment 1682, S. 445

STEINFELD, THOMAS; Das Wollen wollen, Süddeutsche Zeitung, Nr. 22, 26./27. 01.2013, Seite V2/1

ders.; Die Kunst der Selbstoptimierung, Süddeutsche Zeitung, Nr. 88, 16.04.2013, Seite 11

TIERNY, JOHN; Prison Population Can Shrink When Police Crowd Streets, The New York Times, 25.11. 2013, http://www.nytimes.com/2013/01/26/nyregion/police-have-done-more-than-prisons-to-cut-crime-in-new-york.html?smid=tw-share&_r=0, Abruf: 18. 04. 2013

WELSCH, WOLFGANG. Blickwechsel – Neue Wege der Ästhetik. Stuttgart: Reclam, 2012

 

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